Newsletter April 2018

Kinderrechte

Name und Nationalität (Geburtsschein)

Sie spielen Fussball wie die Weltmeister, machen Streiche wie alle anderen Kinder auch, klettern auf Mango-Bäumen herum, haben einen Namen, jedoch sie existieren amtlich nicht.
Für uns in der Schweiz ist dies kaum vorstellbar. In Honduras gehört es aber zur Tagesordnung, dass ein Kind bei seiner Geburt nicht eingeschrieben wird und somit amtlich gar nicht existiert.

Im Jahr 2001, waren schätzungsweise 22% der Kinder nicht registriert. Gemäss den letzten Umfragen sind mehr als 64‘871 von 1‘170‘107 Kinder unter 6 Jahren nicht registriert. Das bedeutet, 5,5% der honduranischen Kinder hat keinen Geburtsschein.

Welche Nachteile bringt das mit sich? Ein Kind nicht zu registrieren ist die stillschweigende Leugnung ihrer Menschenrechte; man hat keinen Namen und keine Nationalität. Wenn man in ein öffentliches Spital geht, wird man nicht behandelt. Man darf die Schule auch nicht besuchen. Man existiert schlicht und einfach nicht. Da diese Kinder nicht existieren, sind sie diejenigen, die am häufigsten auch an Missbrauch leiden. Vor allem an sexueller Ausbeutung und an Menschenhandel, also dem Verkauf durch die Eltern.

Später, als erwachsene Person darf man nie Autofahren, nie legal einen Job annehmen, nie eine Identitätskarte oder einen Pass haben, nie ein Bankkonto eröffnen, nie an Wahlen teilnehmen oder nie ein Haus, Land oder Auto kaufen.

Im Kinderheim kämpfen auch wir seit 10 Jahren mit den staatlichen Behörden. In dieser Zeit gelang es uns, 2 von 7 Kindern amtlich zu registrieren. Vier unserer Kinder haben bis heute keinen Geburtsschein erhalten. Der Prozess zur Anerkennung eines Kindes ist sehr kompliziert. Entweder muss man eine Geburtsurkunde eines Spitals vorzeigen können oder sie müssen von den Gerichtsmedizinern untersucht werden. Zuerst erfolgt eine medizinische und danach eine zahnärztliche Untersuchung, zur Bestimmung des Alters des Kindes. Das Ergebnis ist jedoch sehr ungenau, zum Beispiel zwischen 5 und 7 Jahre, oder zwischen 12 und 14 Jahre. Wir haben uns jetzt sogar verpflichtet gefühlt, internationale Menschenrechtsorganisationen anzuschreiben und hoffen, bei diesen die notwendige Unterstützung zu erhalten.
Wenn die Kinder zu uns kommen und keinen Geburtstag haben, gebe ich jedem einen Tag und Jahr. Damit auch sie einmal im Jahr einen speziellen Tag, ihren Geburtstag, feiern dürfen.

Vernachlässigung

70% der Kinder in Honduras leiden an einer Vernachlässigung. 37% der honduranischen Kinder sind von einer körperlichen Vernachlässigung betroffen. Der psychische Missbrauch und das Aussetzen durch ihre Eltern kommt wesentlich weniger häufig vor.

Der Mangel an Nahrung, das Fehlen einer notwendigen Unterkunft, die Abwesenheit von Aufsicht sowie keine Bereitstellung von Kleidung und gesundem Wohnraum gelten als körperliche Vernachlässigung.

Körperliche Vernachlässigungen haben für das betroffene Kind schwerwiegende Folgen: Unterernährung, kein Selbstwertgefühl, Lernschwierigkeiten, oder Schwierigkeiten, eine Entscheidungen zu treffen. Um nur einige der häufigsten Folgen zu nennen. Meistens wird das erlebte Trauma in eine Obsession, eine Phobie oder eine Fixierung umgewandelt.

Sobald das Kind wächst, kann es ohne entsprechende Behandlung das gelebte Trauma nicht loswerden und möchte es direkt oder indirekt wiederholen. Wie zum Beispiel ein geschlagenes Kind auch als erwachsene Person schlägt.

Aus soziologischer Sicht ist Kindesmissbrauch stetig wachsendes, die Gesellschaft zerstörendes Phänomen, weil es Risikofaktoren wie Drogenabhängigkeit, Alkoholismus, Armut und Gewalt verstärkt, was wiederum zu mehr Missbrauch führt.

Armut

68 % der 9 Mio Einwohner sind arm. Davon leben 48 % sogar in extremer Armut.

Honduras steht ganz oben auf der Liste der Länder, in den die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung in Armut lebt.

57 %, von denen die selbstständig Arbeiten, leben in extremer Armut und 75 % leben in Armut.

Einige Berichte zeigen, dass das Wachstum der Armut in Honduras das Ergebnis eines falschen Ansatzes der Sozialpolitik ist, der auf Wohlfahrtsprogrammen basiert und nicht auf Maßnahmen zur Förderung der sozialen Mobilität.

Kinderarbeit

Von den etwa zwei Millionen Kinder in Honduras müssen ungefähr 14% arbeiten.

Wie das Amt für Statistik des Landes mitteilt, arbeiten insgesamt 371’386 Minderjährige im Alter zwischen 5 und 17 Jahren. Nur 4,9% der Kinder besuchen die Schule.
Wie aus einer Studie des Kinderhilfswerks World Vision International hervorgeht, sind Minderjährige in verschiedenen Sektoren der Wirtschaft beschäftigt, davon arbeiten 59,7% in der Landwirtschaft. Viele Kinder arbeiten im Baugewerbe oder als Haushaltshilfen (3,1%). Für ihre Arbeit, die oft mit der von Erwachsenen gleichzusetzen ist, erhalten die Kinder in den meisten Fällen nicht einmal den Mindestlohn.

78,9% der Knaben und 75,1% der Mädchen arbeiten unbezahlt für die eigene Familie.

Ursachen für Kinderarbeit ist einerseits die Armut, da die meisten Kinder ihre Eltern unterstützen müssen, weil ihr Einkommen sonst nicht ausreicht. Und andererseits sind Bildungskosten eine Ursache, da viele Familien sich den Schulbesuch – aufgrund von Schulgebühren und Kosten für Uniformen, Essen etc. nicht leisten können.

Bisherige Lösungsansätze der Regierung:
Es wurde in der Vergangenheit viel Geld in die Verbesserung des Bildungssystems gesteckt, was Teil eines allgemeinen Kampfes gegen die Armut ist.

Durch den zweiten nationalen Plan zur Verhinderung und Beseitigung von Kinderarbeit wurde ein Komitee zur Koordination des Kampfes gegen Kinderarbeit ins Leben gerufen. Es wurden bereits einige Vorschläge zur Gesetzgebung erstellt und teilweise sogar schon umgesetzt.

Leider bleiben aber diese nationale Pläne mehrheitlich auf Papier. Der entscheidende Schritt der Umsetzung ist bisher leider noch nicht geschehen.

Sexueller Missbrauch

In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der sexuellen Missbräuche um 200% gestiegen, wobei 95 % davon durch Familienmitglieder (Stiefvater, Vater, Onkel, Bruder oder Grossvater) begangen werden. Meistens sind die Opfer zwischen 2 und 14 Jahre alt. Im letzten Jahr wurden 3000 Fälle denunziert. Das ist natürlich nur die öffentliche Zahl, denn in Wahrheit gibt es x tausende Fälle mehr. Das Problem ist, dass nur wenige Fälle gemeldet werden, die meisten bleiben für immer anonym.

Bei vielen jugendlichen Müttern, wird erst bei der Geburt des Kindes herausgefunden, dass das Kind durch eine Vergewaltigung gezeugt wurde. Denn vorher hatten diese Mädchen weder die Chance noch den Mut um darüber zu sprechen.

 

All diese Zahlen und Fakten sind die Realität der Kinder in Honduras. Wenn man die “wahre Welt” sieht, von wo «unsere» Kinder stammen, ist es noch bemerkenswerter zu sehen, wie sie ihre düstere Vergangenheit wegstecken und einfach glücklich über diesen Wandel ihres Leben sind.
(Informationen und Statistiken stammen von den Lokalzeitungen La Prensa und El Heraldo).