Eine Seifenblase

Seifenblasen erinnern uns an die Kindheit. An unsere kleinen Kindheitsträume, die mit den Seifenblasen wegflogen und denen niemand etwas anhaben konnte. Denn in einer Seifenblase erscheint alles in einem farbenfrohen, glänzenden und warmen Licht. Und dabei spielt es keine Rolle, wie die Umgebung aussieht. Sei der Himmel bedeckt und grau oder strahlend blau, die Seifenblase ist gegen die Aussenwelt geschützt.

Und jedes Mal wenn ich das Kinderheim betrat, hatte ich das Gefühl in eine Seifenblase hineinzuspazieren. Manchmal kam ich aus einem schönen, sonnigen San Pedro Sula zurück. Manchmal kehrte ich durchnässt und etwas unwohl zurück. Doch sobald ich durchs Tor spazierte sah ich die farbenfrohen Wände, den Glanz in den Augen der Kinder und ich spürte die Wärme. Vor der Aussenwelt und dem gefährlichen San Pedro Sula fühlte ich mich sicher. Und nicht nur für mich, sondern auch für die Kinder ist das Kinderheim eine Seifenblase. Die Umstände in denen die Kinder lebten, liessen nicht viel zu träumen übrig, doch die Kinder haben Träume. Und durch den Schutz des Kinderheims, das als Seifenblase unterstützt, erscheinen diese in Glanz und Farbe. Und genau dieser Grund hat mich für zwei Monate ins Kinderheim geführt. Denn ich wollte die Kinder unterstützen, ich wollte Teil der Wand der Seifenblase sein.

Und irgendetwas gab es mit 35 Kindern immer zu tun. Der Tag begann früh, denn die Kinder mussten in die Schule. Während die Älteren und die Mittleren in der Schule waren, verbrachte ich viel Zeit mit den Kleinen. Diese hatten jede Menge Energie und kriegten vom Spielen gar nicht genug. Damit diese Energie nicht ausging, reichte ich dann den Köchinnen die Hand. Am Mittag kehrten alle wieder nach Hause und am Nachmittag wurden die Hausaufgaben gelöst. Nach dem Abendessen gingen die Kleinen und die Mittleren schon bald ins Bett und ich hatte Zeit für die älteren Mädchen, welche etwa in meinem Alter sind. Oft nutzten wir die Zeit um uns zu unterhalten oder um zu backen. Und hin und wieder schauten wir einen Film.
Neben den alltäglichen Aufgaben habe ich mich immer wieder kleineren und grösseren Projekten gewidmet. Wie die Restaurierung der Bilderrahmen oder der Gestaltung der Weihnachtskarten. Und am Freitag erledigte ich immer die Wocheneinkäufe mit Karen. Durch Karen lernte ich vor allem die honduranische Küche und Essenskultur kennen. Bei „YO QUIERO SER“ ist sie zwar als Erzieherin tätig, aber durch unsere gemeinsame Leidenschaft für das Kochen und Backen verbrachten wir viel Zeit in der Küche. So lernte ich wie man Baleadas, Arroz con pollo, Tortillas und Frijoles kocht und sie lernten Birchermüesli, Sunntigszopf, Rösti und Lasagne kennen.

Doch ich habe nicht nur die Rezepte für die kulinarischen Delikatessen mit in die Schweiz genommen, ich habe auch viele tolle Erinnerungen und viel Lehrreiches mitgenommen. Denn einerseits habe ich die Chance gehabt, eine andere Kultur und Mentalität so gut kennenzulernen wie nie zuvor und andererseits habe ich auch viele Fassetten meiner Kultur und Mentalität schätzen gelernt. Denn bei der Kultur ist es wie beim Essen. Jeder hat seine Spezialität und kann vom Anderen lernen.

Nora Baltermia